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Stellwerkstörung

Ausgerechnet ein Wort aus der Eisenbahnersprache wurde in der Schweiz zum Wort des Jahres 2013: die Stellwerkstörung.

Nachdem das Jahr 2013 mit diversen Zusammenstössen und Entgleisungen und entsprechend reisserischen Schlagzeilen gestartet war, kam es im Sommer zu einer Vielzahl von verspäteten und ausgefallenen Zügen, als deren Grund nun stets dieses eine Wort mit 16 Buchstaben zu hören und lesen war: Stellwerkstörung.
Aber was steckt nun genau dahinter?

Im Grunde genommen ist der Ausdruck ein Sammelbecken für alle möglichen Störungen, die in irgendeiner Weise mit der Stellwerkstechnik zu tun haben. Dass grundsätzlich nur dieser Sammelbegriff genannt wird, hat mit der Komplexität eben dieser Technik zu tun.
Denn man könnte da folgende Begriffe Otto Normalbahnfahrer um die Ohren fliegen lassen:
„Achszählerstörung“, „Gleisstromkreisstörung“, „Streckenblockstörung“,„Stellwerksrechnerausfall“, „Signalstörung“ „Weichenstörung“, „Flankenschutzstörung“, „Ausfall der Fernübertragung“ etc.pp.
Ja, mag durchaus sein, dass der eine oder andere Begriff für sich selbst spricht. Aber schauen wir es uns mal im Einzelnen an.

Damit Zugfahrstrassen durch die Stellwerke korrekt eingestellt werden können, braucht es die Rückmeldung, dass die zu befahrenden Gleise frei sind. Dafür sind die Gleisfreimeldeeinrichtungen zuständig (siehe eigenen Beitrage dazu).

Wenn nun ein Achszähler oder ein Gleisstromkreis dem Stellwerk ein belegtes Gleis meldet, obwohl auf dem Gleis gar kein Schienenfahrzeug steht, liegt eine Störung vor. Diese kann im Gleis durch einen störenden Einfluss verursacht worden sein, bei Gleisstromkreisen etwa durch Streusalz im Winter oder abgenutzte Isolierstösse an den Schienen, bei Achszählern durch schadhafte Schienenfahrzeuge. Es kann aber auch im Stellwerk ein Relais „hängengeblieben“ sein, was aber eher selten der Fall ist.

Beim Streckenblock handelt es sich kurz gesagt um eine Einrichtung, die dafür sorgt, auf einer Strecke zwischen zwei Bahnhöfen immer nur ein Zug unterwegs ist und diesem nur im Blockabstand ein Zug in gleicher Fahrrichtung folgen kann. Sobald der betreffende Zug den Streckenabschnitt verlassen hat, erfolgt die Freimeldung der Strecke durch die Gleisfreimelder und der Streckenblock geht von „geblockt“ wieder in den Grundzustand „ungeblockt“ über. Wenn er das aber nicht tut, dann liegt eine Störung vor. In den meisten Fällen handelt es sich um Folgestörungen aus einer Achszähler- oder Gleisstromkreisstörung oder aber einer Signalstörung. Es kann aber auch in diesem Fall ein hängengebliebenes Relais die Ursache allen Übels sein – oder auch schon mal ein fallengelassener Schraubenzieher, der bei Instandhaltungsarbeiten im Stellwerk das betreffende Relais ausser Betrieb gesetzt hat.

Bei der Signalstörung ist das Spektrum an Ursachen wiederum breiter. Da kann im einfachsten Falle eine Lampe defekt sein. In den meisten Fällen sind es die roten Lampen die durchbrennen. Kein Wunder, sie brennen auch die meiste Zeit! Aus diesem Grund gibt es bei Signalen Typ L (siehe Beitrag) stets ein Not-Rot oder Ersatz-Rot, damit das Signal stets HALT zeigen kann. Denn wenn dies nicht mehr geht, wäre das fatal: an ein dunkles Signal kann keine Fahrstrasse mehr gestellt werden.
Sind es hingegen die orangen und grünen Lampen, die durchbrennen, hat das schnell mal Auswirkungen auf den Verkehr. Denn beim Signal Typ L gibt es ausser für Rot keine Ersatzlampen.
Statt durchgebrannten Lampen kann aber auch ein Signalabsturz vorliegen, wenn das Signal zu einem elektronischen Stellwerk gehört. Dann muss der für das Signal zuständige Rechner neu gestartet werden, was in der Regel innerhalb von wenigen Minuten der Fall ist. Weitaus ekliger dagegen sind defekte Steuerkarten. Wenn die kaputt sind, bringt ein Neustart nichts; da muss der Techniker vor Ort und das Teil auswechseln. Und solange zeigt das Signal bestensfalls HALT.

Das Perfide an den Signalstörungen ist, dass sie Folgestörungen nach sich ziehen können: Bedingung für die Grundstellung des Streckenblocks ist unter anderem auch, dass das Fahrt zeigende Signal auf Halt wechselt. Wenn dies nicht mehr möglich ist, weil keine rote Lampe mehr brennt, bleibt eine weiter oben erwähnte Blockstörung zurück.

Es muss sich auch nicht mal um ein Hauptsignal handeln, was in gestörtem Zustand für Ärger sorgt. Auch ein kleines Zwergsignal hat in gestörtem Zustand enormes Zugverkehrsverhinderungspotenzial, sowohl bei bewährten Relaisstellwerktechnik als auch bei der modernen elektronischen Stellwerkstechnik.

All die genannten Störungen haben aber eines gemeinsam: der Zugverkehr lässt sich durch Notbedienungen und Geschwindigkeitsbeschränkungen zumindestens eingeschränkt aufrecht erhalten.
Sind jedoch Weichen im Fahrweg gestört, dann wird’s ganz böse. Denn nicht immer kann eine gestörte Weiche über einen alternativen Fahrweg umfahren werden. Und wenn bei einer gestörten Weiche keine Endlage der Weichenzungen gemeldet wird, sei es, weil die Fernüberwachung ausgefallen ist oder aber weil ein Fremdkörper die Endlage verhindert, dann darf grundsätzlich nicht mehr drübergefahren werden, bis der technische Dienst die Weiche untersucht hat und wieder freigibt.

Den Stellwerksrechnerausfall trifft man nur bei elektronischen Stellwerken an, da diese rechnergesteuert funktionieren. Und der erklärt sich von selbst. Oder wer hat noch nie mit den Folgen eines „abgestürzten“ Computers zu tun gehabt?
Ursachen für solche Abstürze sind nicht selten Programmierfehler, die niemandem auffielen, weil sie nur in sehr seltenen Situationen auftreten, bedingt durch eine Kombination bestimmter Stellbefehle. So einfach nun diese Störung zu erklären ist, so gravierend ist sie in ihrer Auswirkung: wenn der Stellwerksrechner „tot“ ist, funktioniert das Stellwerk überhaupt nicht mehr. Dann können auch keine gesicherten Fahrwege mehr eingestellt werden, ergo fährt gar nichts mehr. Zumeist wird hierzu ein Rechnerneustart durchgeführt, der sich schon mal ein paar Minuten hinziehen kann. Im dümmsten Falle aber muss ein Techniker vor Ort. Und bis der da ist und das Problem gefunden hat, können schon mal 30 bis 60 Minuten vergehen.

Und selbst, wenn der Rechner erfolgreich neugestartet wurde, kann es sein, dass trotzdem noch einige Zeit ins Land geht, bis wieder alles fährt. Denn im dümmsten Falle sind die Zugnummern aus der Anlage gelöscht worden. Dann muss für jeden Zug im betroffenen Bereich wieder die korrekte Zugnummer eingewählt werden. Sonst bekommt ein Zug den falschen Fahrweg eingestellt.

Ebenfalls gravierend in den Auswirkungen ist ein Ausfall der Fernsteuerung über ILTIS. Wenn die Bediensoftware ILTIS streikt, können die Stellwerke im betroffenen Bereich nicht mehr vom eigentlichen Fernsteuerzentrum fernbedient werden. Zwar besteht die Möglichkeit, von einem anderen Fernsteuerzentrum aus die Steuerung zu übernehmen. Voraussetzung dafür ist aber, dass das entsprechende Fernsteuerzentrum auf die entsprechende Iltis-Zelle zugreifen kann. Das ist noch längst nicht überall der Fall.

Ein simpler Stromausfall kann übrigens zum gleichen Ergebnis führen. Zwar gibt es eine Notstromversorgung, die den Betrieb des Stellwerks für einige Zeit aufrecht erhält. Wenn aber bis dahin keine Alternativversorgung über eine andere Stromquelle in Betrieb genommen werden konnte, fällt das Stellwerk ebenfalls aus.

Man sieht also: Stellwerkstörungen können sehr vielseitig sein. Vielleicht helfen diese Ausführungen ein wenig im Verständnis dieses Begriffes. Für den geplagten Bahnreisenden jedoch, der mit der Verspätungsmeldung konfrontiert wird, spielt es kaum eine Rolle, ob da nun ein Relais oder ein defekter Isolierstoss die Ursache ist: er sieht und hört nur, dass er deutlich später am Ziel ankommen wird dank der Tücken der Technik.