Stellwerke
Eine grundlegende Frage für den Eisenbahnverkehr lautet: wie wird der Eisenbahnverkehr gesteuert?
Dafür muss man wissen, dass nicht die Lokführer die Signale / Weichen stellen können, sondern die
Fahrdienstleiter in den Stellwerken. Für jeden Bahnhof gibt es (in der Regel) ein Stellwerk.
So ein
Stellwerk kann sehr unterschiedlich ausgeführt sein: angefangen bei rein mechanischen
Stellwerken mit ihren typischen grossen Hebeln (Bruchsal, Jüdel); die elektromechanischen Typen,
deren Aussehen durch eine Vielzahl an Schaltern geprägt wird (VES, Integra); schliesslich die
Gleisbildstellwerke auf Relaissatztechnik, deren Bedienpulte für die etwas verächtliche Berufsbezeichnung
"Knöpflidrücker" sorgten (Domino, SpDrS); und letzten Endes die elektronischen Stellwerke, bei denen
Computer die Schaltvorgänge einleiten, stellen und überwachen (Simis, Elektra).
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Mechanisches Stellwerk |
Schalterwerk |
Domino 67 |
Was genau ist nun ein Stellwerk?
Dazu zunächst die offizielle eidegnössisch-amtsdeutsche Definition, wie sie in den
Fahrdienstvorschriften (FDV) zu finden ist:
"Anlage zur technischen Sicherung der Fahrwege von Zügen und Rangierbewegungen". Kurzum, ein
Stellwerk stellt sicher, dass keine Züge gegeneinander fahren können. Und auch für Flankenfahrten -
ein Zug fährt einem anderen in die Seite - gibt ein Stellwerk nie die Zustimmung zur Fahrt.
Egal also, welche Bauform sie haben: sie erfüllen grundsätzlich diese grundlegenden Aufgaben.
Jedoch ist die Art und Weise, wie diese Sicherung geschieht, sehr unterschiedlich ausgebaut.
Welcher Stellwerkstyp in welchem Bahnhof Anwendung findet, ist immer eine Abwägung aus Kosten
und Nutzen. Muss zum Beispiel viel rangiert werden, ist es sinnvoll, die Anlage mit Zwergsignalen
auszurüsten. Aber nicht jeder Stellwerktyp ist dafür geeignet. Ohne Zwergsignale existiert keine
gesicherte Fahrstrasse für Rangierfahrten; der Rangierer muss stets auf die mündliche Zustimmung
des Fahrdienstleiters warten, und der Fahrdienstleiter mit dem Einstellen "feindlicher" Zugfahrstrassen
so lange warten, bis die Rangierer am Ziel angekommen sind. Hier liegt also noch sehr viel Verantwortung in menschlicher Hand.
Ein grosser Bahnhof wie Basel SBB oder Zürich HB könnte ohne Zwergsignale und gesicherte
Rangierfahrstrassen gar nicht die Menge an Zugfahrten und Rangierleistungen bewältigen, w
ie sie heutzutage normal sind.
Ein Entscheid für einen Stellwerktyp kann auch nicht einfach ein paar Jahre später
wieder über den Haufen geworfen werden, da für solche Anlagen etliche Millionen Franken
investiert werden müssen. Wenn die Anlage also einmal steht, dann bleibt sie das auch für
mindestens 20 bis 30 Jahre. So manches Stellwerk in Deutschland stammt noch aus dem vorletzten Jahrhundert!
Nun hat sich in den letzten Jahren im Eisenbahnverkehr vieles geändert. Auch die Fahrdienstleiter
haben heute nicht mehr die gleichen Aufgaben wie früher. Als früher ausgebildeter "Bahnbetriebsdisponent" war man
nur für einen(!) Bahnhof zuständig, aber vor allem auf kleineren Bahnhöfen "Mädchen für alles": Abfertigen von
Zügen, Verkauf von Billetten, Kundeninformation, Kleinunterhalt etc.
Das moderne Berufbild des Zugverkehrsleiters (ZVL) hingegen konzentriert sich auf die
Überwachung und Steuerung des Zugverkehrs, jedoch in der Regel mehrerer Bahnhöfe und
Streckenabschnitte auf einmal. Und als ZVL hat man auch keine örtliche Nähe mehr zu den
überwachten Strecken sondern sitzt meist dutzende Kilometer entfernt.
Wie man in den anderen Lexikon-Einträge lesen kann, wird der Eisenbahnverkehr der SBB in
Zukunft von vier
Betriebszentralen aus gesteuert.
Aber wie soll das funktionieren? Wie wird etwa das Stellwerk Effretikon von Zürich Flughafen aus gesteuert?
Für die Lösung dieses Problems hat sich die SBB für eine Entwicklung der Firma Siemens entschieden.
Die Stellwerke werden mit Hilfe der Bedienoberfläche ILTIS (Integrales Leit- und Informations System,
nicht das Tier Iltis) ferngesteuert. Das heisst von der Betriebszentrale aus folgt via ILTIS der
Befehl ans Stellwerk vor Ort, welches alle Sicherungsmassnahmen trifft.
ILTIS ist also kein neuer Stellwerktyp sondern nur eine Art Windows-konforme Bedienoberfläche,
welche die verschiedenen Stellwerke (mit Ausnahme kleiner Details) gleich darstellt und die
Befehle des Zugverkehrsleiters an die Stellwerke weiterleitet. Man drückt also keine Knöpfe
mehr auf einem Bedienpult sondern steuert mit der Maus.
Wichtig hierbei: fernsteuerbar sind nur elektronische Stellwerke und Relaissatzstellwerke.
Aus diesem Grund findet man auf Bahnhöfen, die mit noch älterer Stellwerktechnik ausgerüstet
sind, nach wie vor die Fahrdienstleiter alter Schule. Aber nicht mehr lange, denn die SBB ist
dabei, auch diese alten Anlagen zu modernisieren. Beispielsweise das Tösstal wird noch mit
Elektromechanischen Stellwerken bedient. Um später auch diesen Fleck fernzusteuern. Bekommt
es ein neues Stellwerk, welches vom Flughafen aus gesteuert werden kann.
So sieht ein Bahnhof via Iltis aus. Hier ist es der Bahnhof Rothenburg.
Kurze Erklärung:
- Das rote im Gleis 2 ist ein Zug, normalerweise ist dort auch gleich die Zugnummer eingetragen.
- RBG bedeutet Rothenburg, jeder Bahnhof / Haltestelle haben in der Schweiz und auch in anderen Ländern
Abkürzungen. ZUE steht bsp. für Zürich HB, BS für Basel SBB
- Links und rechts (die weissen Romben) sind die jeweiligen Endpunkte des Stellwerks, hier geht es für den
Zug in einem anderen Stellwerk weiter. Links geht es hier Richtung Sempach, rechts Richtung Emmenbrücke.
- Die grossen roten Dreiecke sind die Hauptsignale